Haushaltsrede der Koalition aus KöWI, SPD und Bündnis 90/Die Grünen 2022
Königswinter ist eine lebenswerte Stadt und soll es in Zukunft bleiben. Um das zu erreichen, muss man sich den Herausforderungen der Zeit stellen. Die Kommunen befinden sich in einer Umbruchsituation:
- Der demografische Wandel und die Alterung unserer Gesellschaft müssen angenommen und bewältigt werden.
- Die Folgen des Klimawandels werden immer bedrückender sichtbar. Der Klimaschutz verlangt neue Strategien und Lösungen.
- Die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und auch in den Schulen und im Schulunterricht muss in einem wesentlich höheren Tempo umgesetzt werden.
Die Pandemie hat in den letzten zwei Jahren manche dieser Herausforderungen noch deutlicher gemacht. Sie belastet zusätzlich die Wirtschaft und verlangt von den Kommunen höhere Ausgaben bei geringeren Einnahmen, etwa im Bereich der Gewerbesteuer. Dies gilt auch für Königswinter.
Dabei ist eins sicher: Die Neigung der bis 2020 bestehenden Mehrheit im Rat, Probleme auszusitzen und so viel wie möglich Personal einzusparen, hilft bei der Lösung der anstehenden existenziellen Fragen nicht.
Die Zukunft verlangt, gesellschaftliche Problemstellungen anzunehmen und rechtzeitig und lösungsorientiert darauf zu reagieren. Die Koalition hat die vielfältigen Herausforderungen nun angenommen und die notwendigen Schritte eingeleitet: beim Klimaschutz, in der Sozialpolitik und bei der Digitalisierung.
1. Das Jugendamt wird wieder voll arbeitsfähig gemacht
Eine unabhängige Organisationsuntersuchung hat eindeutig bestätigt, dass nahezu fünf Planstellen fehlen, um die Aufgaben des Jugendamts angemessen erfüllen zu können. Das gilt vor allem für den Kinderschutz. Diese Stellen müssen jetzt geschaffen werden. Dazu sehen wir keine Alternative.
2. Beim Klimaschutz sind wir Vorreiter
Die Notwendigkeit, bis 2035 in Königswinter klimaneutral zu werden, erfordert neue personelle und finanzielle Investitionen, um die notwendigen Veränderungen zu organisieren. Das können externe Dienstleister nicht allein. Sie brauchen qualifizierte Ansprechpartner/innen in der Verwaltung. Denn die zu steuernden Prozesse müssen von der Verwaltung koordiniert und umgesetzt werden. Und das ist kein Projekt, das einen Anfang und ein Ende hat. Das ist eine langfristige Aufgabe, die nachhaltige Lösungsansätze erfordert. Mit den klimapolitischen Entscheidungen, die wir am 2.11.2021 beschlossen haben, sind wir im Rhein-Sieg-Kreis nun Vorreiter.
3. Demografischen Wandel annehmen
Bis 2030 wird ein Drittel der Königswinterer Bevölkerung über 60 Jahre alt sein. Damit steigt zugleich der Anteil pflegebedürftiger Menschen. Die Kommune hat hier gemeinsam mit dem Kreis eine Fürsorgepflicht. Nun ist der Aufschlag gemacht worden: wir haben die Stelle eines aufsuchenden Seniorenberaters geschaffen, etablieren eine Seniorenvertretung und bemühen uns gezielt um eine Verbesserung der Pflegesituation.
4. Die Schulen brauchen mehr Unterstützung
Schon vor der Corona-Pandemie war deutlich, dass die IT-Ausstattung der Schulen sowohl im Bereich Hardware wie auch beim Support mehr als dürftig ist. Dies galt vor allem für die Grundschulen. Die personelle Situation in der IT-Abteilung wurde nun verbessert. Die Schüler/innen erhielten die erforderlichen Tablets. Der Support wurde weiterentwickelt. Außerdem stärken wir die Verwaltung unserer Grundschulen durch eine Erweiterung der Arbeitszeit der Sekretariate, die in jeder Schule täglich als Ansprechpartner der Eltern zu bestimmten Tageszeiten zur Verfügung stehen sollen. Die Corona-Pandemie hat Schülern und Lehrern viel abverlangt. In dieser schweren Zeit wollen wir sie zukunftsorientiert unterstützen.
5. Das Kaputtsparen der Verwaltung ist gestoppt
Viele Kommunen hatten in der Vergangenheit den Ehrgeiz, eine möglichst „schlanke“ Verwaltung vorzuweisen - mit der Folge, dass viele notwendige Aufgaben liegen geblieben sind. Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt kommt hinzu. Deshalb haben wir Wert auf die Besetzung jahrelang offener Stellen im Bauamt gelegt. Mit Erfolg. Mehrere Architekten konnten eingestellt werden, sodass viele brach liegende Aufgaben, wie die Sanierung der Straßen und die Umsetzung der Verkehrswende, jetzt wahrgenommen werden können. Das Kaputtsparen verschiebt die Bewältigung notwendiger Aufgaben nur in die Zukunft und macht die Umsetzung dadurch nur teurer.
6. Bürgerbeteiligung ausgebaut
Mit der Schaffung und Besetzung einer Stabsstelle für Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit konnten bereits zahlreiche Beteiligungsverfahren angestoßen werden. Die Bildung einer Lenkungsgruppe mit einer gleichberechtigten Mitgliedschaft von Bürgern und Bürgerinnen gegenüber Politik und Verwaltung steht bevor. Es wird Leitlinien geben, die eine verbindliche Mitwirkung von Bürgern an kommunalpolitischen Entscheidungen ermöglicht. Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern kann sich so wieder verbessern.
7. Kulturpolitik mit neuem Elan
Die Kulturförderung hat neuen Schwung aufgenommen. Es wurden Kulturförderrichtlinien erarbeitet, die demnächst verabschiedet werden. Außerdem ist eine Kulturentwicklungsplanung in Arbeit, die langfristig das kulturelle Engagement in unserer Stadt fördern wird. Für Kulturveranstaltungen wurde mehr Geld bereitgestellt. Leider hat eine ursprünglich geplante Veranstaltungsreihe wegen der Corona-Situation nicht stattfinden können. Das gesamte öffentliche Leben lag streckenweise brach.
8. Corona und seine Folgen
Der Corona-Entwicklung ist es geschuldet, dass die Kommunen unter starken Einbrüchen bei den Gewerbesteuer-Einnahmen leiden und gleichzeitig zusätzliche Kosten in Millionenhöhe zu tragen haben. Bis 2025 rechnet man mit über 20 Millionen €, die allein in Königswinter dabei anfallen. Dieser Effekt kann bis einschließlich 2024 im Haushaltsplan separiert werden, so dass er aktuell nicht negativ zu Buche schlägt. Aber ab 2025 muss entschieden werden, was mit dieser Corona-Isolierungsmasse geschieht. Entweder kann der isolierte Betrag einmalig abgeschrieben und somit vom Eigenkapital abgezogen werden. Oder er wird für 50 Jahre als lineare Abschreibung von ca. 400 000 € im Jahr in den Haushalten auftauchen. Aber auch dann wird er das Eigenkapital schmälern. In jedem Fall ist dies eine Vererbung heutiger Finanzprobleme.
Es ist also umso wichtiger, dass der Haushalt bis dahin strukturell ausgeglichen ist und wir nicht wie im letzten Jahrzehnt immer weiter Eigenkapital verbrennen. Konkret wurden so in Königswinter den Jahren 2010-2021 rund 40 Millionen Euro Schulden angehäuft, die wir den nachfolgenden Generationen aufbürden. Wenn wir uns die Ergebnisrechnungen ansehen, sind darin variable Hochrechnungen, z.B. Steuerschätzungen des Landes usw. enthalten, die aktuell sehr volatil sind. Es war also noch nie so schwierig, eine realistische Haushaltsplanung zu erarbeiten. Außerdem ist nicht klar, ob die Zinsaufwendungen, die heute in einer Niedrigzinsphase bei rund 1,2 Mio. € liegen, auch in Zukunft auf diesem günstigen Niveau gehalten werden können. Den Haushaltsplan 2022 mit dem Planansatz eines Defizits von über 5,7 Mio. € zu belassen und nur auf das Beste zu hoffen, wäre deshalb sehr fahrlässig.
Der Rat hat im Haushaltsplan strukturell und nachhaltig dafür zu sorgen, der Kommune die für die pflichtige Aufgabenerfüllung erforderlichen Einnahmen zu beschaffen. Die Negativentwicklung des Eigenkapitals muss daher jetzt gestoppt werden. Sonst ist die Stadt schon in 2023 oder 2024 gezwungen, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen, bei dem der Regierungspräsident und nicht mehr der Stadtrat das Budgetrecht in Königswinter ausübt. Dies wollen wir unter allen Umständen verhindern.
Deshalb stimmen wir für den Vorschlag der Verwaltung, den Hebesatz bei der Grundsteuer B auf 690 Punkte zu erhöhen. Das ermöglicht eine Ertragsverbesserung von mehr als 2 Mio. €. Wir wissen: Das ist für viele Eigentümer und Mieter hart. Aber würden wir diese bedeutende Einnahmequelle, die die Kommunen haben, nicht nutzen, wäre das weder nachhaltig noch generationengerecht und damit finanzpolitisch unverantwortlich. Im Rhein-Sieg-Kreis liegen wir auch mit dem neuen Hebesatz knapp unter dem Durchschnitt. Denn fast alle Kommunen sind gezwungen, diesen schmerzhaften Schritt zu gehen.
Uns ist außerdem wichtig, freiwillige Leistungen, die die Bürger schätzen, nicht zu streichen. Das gilt für das Freibad ebenso wie für die Häuser der Jugend oder die Zuschüsse an die Kitas.
Trotz massiver Einsparungen, die der Koalition nicht leichtgefallen sind, wäre es ohne die Steuerhöhung nicht möglich, den Haushaltsplan 2022 und 2023 auszugleichen. Dieser Ausgleich ist mit der Anhebung der Grundsteuer B zumindest aus heutiger Sicht erreichbar, liegen wir im Ergebnis wie schon in den Vorjahren etwa 2-3% besser als im Haushaltsplan angenommen. Falls nicht, bleibt Königswinter aber trotz Defizit noch handlungsfähig.
Bliebe der Hebesatz für die Grundsteuer unverändert oder würde nur geringfügig im Sinne eines Inflationsausgleiches wie in den letzten Jahren angepasst, würden wir ein Defizit von nahezu 6 Mio. € allein in 2022 erzeugen. In den kommenden beiden Jahren wären es 4,8 Mio. € bzw. 4,7 Mio. € und 2025 sogar rund 8,5 Mio. €. Bei der geplanten Erhöhung des Hebesatzes auf 690 Punkte hätten wir in diesem Jahr ein Defizit von 4,1 Mio. €, im kommenden Jahr von 3,2 Mio. € und in 2024 von 3,3 Mio. €. Dadurch, dass die Kreisumlage aller Voraussicht nach noch einmal um rund 730.000 € für 2022 verringert werden soll, verbessern sich diese Zahlen für dieses Jahr allerdings noch entsprechend. Aber eine „schwarze Null“ ist damit noch immer nicht erreicht.
Die CDU hat populistisch behauptet, man könne auf die Erhöhung der Grundsteuer verzichten. Das ist nicht der Fall, wenn wir anstreben, den Haushalt ausgleichen zu wollen. Dies ginge nur bei massiven Kürzungen der freiwilligen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Hier hat aber die CDU nichts vorgeschlagen und nichts beigetragen. Ihre Kürzungsvorschläge für den Haushaltsplan 2022 haben ein Volumen von rund 40.000 €, was angesichts eines Haushaltsvolumens von 118 Millionen € eine lächerlich kleine Summe darstellt. Von aufrichtigen Bemühungen der größten Ratsfraktion, den Haushalt solide zu konsolidieren, kann nicht die Rede sein.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Durchschnitt rund 3,3 Mio. € in jedem Jahr im Vergleich zur Haushaltsplanung nicht ausgegeben wurden. Das hat verschiedene Gründe, sei es, dass Planstellen nicht besetzt werden können oder weil sich Maßnahmen verzögern. Das ist ein Erfahrungswert. Das Haushaltsrecht macht es zudem möglich, 1 % der Ausgaben als globalen Minderaufwand pauschal als Planansatz zu definieren, ohne es sachlich genau zuzuordnen. Danach hätten wir in diesem Jahr nur ein Defizit von 3,0 Mio. €, im kommenden Jahr ein Defizit in Höhe von rund 2,0 € und in 2024 ein Minus von 2,1 Mio. €. Betrachtet man zusätzlich zu dem globalen Minderaufwand noch die darüberhinausgehende Abweichung zwischen Plan- und Istwerten, dann ergibt sich für 2022 ein Defizit von rund 1,13 Mio Euro, für die Folgejahre sogar nur ein Defizit von rund 190.000 Euro bzw. 330.000 Euro in 2024. Diese Betrachtung sieht im Planansatz viel besser aus, ändert aber an der Ergebnisrechnung nichts. Und nur die ist relevant. Die CDU versucht hier, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen, indem sie diese kosmetische Operation als Ausgaben-Kürzung anpreist. Diesen Weg gehen wir aber im Interesse von Haushaltsklarheit und -wahrheit nicht mit.
Der Haushaltsausgleich ist kein Selbstzweck, sondern ermöglicht eine ausreichende Finanzausstattung. Sie ist die wichtigste Grundlage für die kommunale Selbstverwaltung. Und für die Zukunft haben wir viel vor:
- Die Koalition will mehr Tempo bei der Digitalisierung der Verwaltung. Denn nach einem Gesetz aus dem Jahre 2017 müssen bis Ende des Jahres viele kommunalen Dienstleistungen digital angeboten werden. Eine Riesenerleichterung für die Bürger. Aber da liegt Königswinter noch weit zurück.
- In die Gebäude für die Offenen Ganztagsschulen in Stieldorf und Oberdollendorf muss dringend investiert werden. Auf den gesetzlichen Rechtsanspruch aller Kinder auf einen OGS-Platz ab 2026 müssen wir uns vorbereiten.
- Der Klimaschutz verlangt Priorität. Das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Bei den Gebäuden geht die Stadt mit gutem Beispiel voran: bei der Sanierung der ehemaligen Paul-Moor-Schule, bei der Planung einer neuen Turnhalle und OGS in Oberdollendorf oder bei dem neuen Bauprojekt der WWG am Stadtgarten der Altstadt. Für die Verkehrswende werden erste Umsetzungskonzepte in Angriff genommen.
- Der Sanierungsstau bei Straßen und Fahrradwegen muss behoben werden.
- Die Frage, ob ein zentrales neues Rathaus gebaut werden soll oder ob bisherige Gebäude saniert werden, muss beantwortet werden.
- Das Freibad bedarf einer Sanierung. Die Grundlagen für ein Konzept werden in diesem Jahr erarbeitet.
- Die Ortsentwicklung von Stieldorf, Heisterbacherrott und Oberpleis wird Fahrt aufnehmen.
Diese Herausforderungen lassen sich unter großer Kraftanstrengung nur gemeinsam lösen. Wir danken dem Bürgermeister und seiner Verwaltung für ihre bisherige Arbeit und für die vertrauensvolle Kooperation, die die Umsetzung dieser Ziele möglich macht.
Stephan Bergmann (KöWI), Dirk Lindemann (SPD), Thomas Koppe (Bündnis 90/DIE GRÜNEN)